Schach in Irland

English Spoken

In unserem Verein gibt es die schöne Tradition, nach dem Mannschaftskampf bei einem Kaltgetränk einige der Partien zu analysieren. Da Georgios kein deutsch spricht, wird sogar englisch parliert. Nun bin nicht ganz unbedarft, z.B. weiß ich als Spieler der zweiten Mannschaft, dass Abstieg im Englischen relegation bedeutet. Wenn aber um den Tisch „fluently“ analysiert wird, halte ich mich lieber zurück, obwohl mir Sätze auf der Zunge liegen wie: “Karsten, do you have a chess-plate and the chess-figures with you?“ „This horse threatens with a fork.“ „This move looses the quality.“ „You can give a permanent check.“ „The field e5 is important.“ „A ground-row mate is in the air.“ „The white-fielded bishop is important.“ „This tower rules the a-line.“ Irgendwas kommt mir dabei immer spanisch vor.

Glücklicherweise ging es im Urlaub nun nach Irland; soweit das Auge reicht überall native speakers. Die Wahl fiel allerdings auf Beara, einer dünn besiedelten Halbinsel mit der Hauptstadt Castletownbere (860 Einwohner). Auf der Webseite der Irish Chess Union (siehe http://www.icu.ie) fand ich zwar die irische Landesmeisterin Iona Miller aber im Umkreis von 2 Stunden Autofahrt keinen Schachclub. Ich war im schachlichen Outback gelandet! „Wandern ist auch schön – find‘ ich“, meinte meine Frau.

Doch in der örtlichen Bücherei fand sich unversehens ein kleines Plakat unten rechts versteckt im Schaufenster. Ein Chessclub in MacCarthy’s Bar um 19:00! Nichts wie hin, a pint of Guiness bestellt, an die Bar gesetzt. Nichts passiert. Für MiPler ist das ungewohnt! Dann doch noch ein pint bestellt. Endlich kamen zwei Schachspieler und wir gingen ins Hinterzimmer des Pubs. Ein wunderbares Vereinslokal, mit Bänkchen und Kissen, so richtig gemütlich.

„Where do you store the chess-tables?“ „No, we have no locker here. I have a chessboard and the pieces with me.“ Aha, so heißt das hier also. Na dann spielen wir mal mit den mitgebrachten Stücken. Am 2. und 3. Dienstag habe ich auch noch mein eigenes Brett mit Figuren mitgebracht.

Der Club ist mit etwa 10 Mitgliedern nicht in der ICU organisiert und hat sich erst im vergangenen Jahr über Mundpropaganda gefunden. Alles sehr nette Leute. Rob, Matt, Hans, Desmond und das 18-jährige Talent Sean konnte ich kennenlernen. Die Spielstärke scheint mir zwischen 1100 und 1600 zu liegen. Beiträge werden nicht erhoben. Wer kann, bringt ein Schachspiel mit. Uhren gibt es nicht. Man zieht relativ schnell, die Partie ist spätestens nach 20-30 Minuten beendet. Traumhaft. Endlich mal eine gemütliche Partie Schach spielen! Einstellen des Turms und andere Fehler werden stoisch unkommentiert gelassen. Kein „Oh neee…“ „Wie konnte ich nur?“ Es ist einfach nur ruhig. Wenn ich da an die hektischen und blutrünstigen Kämpfe an unseren Spielabenden denke. Plötzlich ein Ruf: „Check!“ Erschrocken stelle ich fest: Hier wird tatsächlich noch Schach gesagt, und zwar jedes mal. Das ließ ich mir nicht nehmen: „And Checkmate!“

Bei MacCarthys

Nach dem Spiel wird nicht viel analysiert. „I hoped for a back rank mate but your rooks controlled the d-file very well.“ Ja, ja. File für Linie und dann dieses „rank“. Irgendwann bekomme ich auch das mal auf die Reihe. „I lost the exchange after your knight’s fork.“ „And if I exchange bishop for bishop?“ „That’s a trade.“ „I controlled the f6 square and could have given a perpetual check.“ Hast du aber nicht und game over.
Die folgende Stellung spielte ich mit Weiß:

Für einen Mehrbauern hatte ich mir den blockierten Läufer c2 eingehandelt. Ich zog f4 und mit gütiger Mithilfe des Gegners stand ich nach den folgenden Zügen sehr gut und gewann: f4 Sf7, e5 d6xe5, f4xg5 h6xg5, Tf2 Kg7 Dd3.

„Your light-squared bishop looked cramped but now it is a monster.“ Light-squared und dark-squared also. Ist doch besser als weißfeldrig und schwarzfeldrig. Zu Hause habe ich ein Brett mit gelben und braunen Feldern.

In den großen Vereinen in Dublin, Cork oder Galway wird es anders zugehen als in diesem Club. Aber Schach ist in Irland unterentwickelt. Das liegt sicher daran, dass die Jugend lieber den traditionellen Sportarten nachgeht: Rubgy, Hurling (eine Art Hockey mit Schlagflächen so groß wie kleine Bratpfannen) und Gaelic Football, bei dem man den Ball in die Hand nehmen darf und sogar einen Punkt bekommt, wenn man über’s Tor schießt. Das wäre was für unser Fußball-Aufsteiger Lorenz (Aufstieg = promotion, merken für die nächste Saison)!

Irland hat mit seinen ca. 4,8 Millionen Einwohnern bisher keinen Großmeister hervorgebracht mit Ausnahme von Alexander Baburin, einem immigrierten Russen. Vergleichbare Länder wie Norwegen oder Dänemark haben da einen erheblichen Vorsprung. Der Hoffnungsträger ist zurzeit David Fitzsimons, der 2018 als 8. Irischer Spieler überhaupt seine IM-Norm erreichte. Hier eine Benoni-Partie, die er mit 19 sensationell gegen Baburin gewann. (Klick auf Notation um Partiefenster zu öffnen)

Im Folgenden nun mein selbst aufgebautes Dictionary der Schachbegriffe:

Der Zugzwang – the zugzwang
Der Kiebitz (eine Überpopulation findet sich im Bethmann-Park) – the kibitzer
Der Patzer – the patzer (bezieht sich auf den schwachen Spieler. Grober Fehler = blunder)
blitzen – to blitz

Aber das ist ja Quatsch. Das Rad wurde schon erfunden, z.B.:

https://en.wikipedia.org/wiki/Glossary_of_chess
http://www.teleschach.com/dictionary/
https://www.schachtrainer.net/products/´schachbegriffe/

Cheers and Take Care!