Erfurter Nächte sind lang …

Die schöne Stadt Erfurt kann einiges bieten, wenn es beim Schachfestival (26.12.-30.12, 8 Runden CH) nicht läuft. Wer seine Dame einstellt und dabei den Glauben verliert, kann diesen in der Severikirche wiederherstellen oder dort wenigstens die Skulptur von 1714 „Vogel Sebsterkenntnis“ betrachten. Wer einen Königsangriff übersieht, kann sich eine Matt-Brille kaufen. Und wer abends bei Speis und Trank über seine Verlustpartie hinwegkommen will, kann im Renaissancebau „Haus zum Breiten Herd“ verwundert feststellen, dass wir zwar beim Essen vergessen, uns aber beim Trinken wieder erinnern.

Aber meistens lief es gut und so zogen Bergit und Theo mit einer lustigen Truppe aus Pirmasens und Freiburg abends mit einem Analysebrett durch die Gemeinde. Leider fehlten dann am letzten Tag einige Körner, weil wir im Hemingway (Schachspieler sollten lesen: „Wem die Stunde schlägt“, „Tod am Nachmittag“, „Der Sieger geht leer aus“) bis 2:00 cocktailschlürfend in einen Geburtstag hineinfeierten.

Bergit hatte es bis auf eine Ausnahme mit nominell stärkeren Gegnern zu tun und schlug sich mit 4,5 aus 8 wacker und konnte ihr Rating verbessern. Ihr technisches Können bewies sie in der folgenden Stellung. In dem ansonsten sehr empfehlenswerten Buch „Silmans Endspielkurs“ schreibt der IM Jeremy Silman: „(Mattsetzen mit) Läufer und Springer könnte in Ihrer gesamten Schachkarriere vielleicht nie vorkommen und ist viel zu schwierig, um Ihre kostbare Zeit darauf zu verwenden.“ Naja, ein Hinweis, dass der König in die Ecke mit der Farbe des Läufers muss, hätte ja gereicht. Tatsächlich finden sich etwa 2000 Partien in der Megabase (501 Partien Remis!), die Wahrscheinlichkeit ist hier 1:4000. Die Wahrscheinlichkeit für 5 Richtige im Lotto ist ca. 1:60000. Bergit ist also noch keine Kandidatin für den Jackpot.

Theo hatte es mit durchweg nominell schwächeren Gegnern zu tun. Mit 5 mal Remis (!), 2 Siegen und einer Niederlage konnte er keinen Blumentopf gewinnen aber jede Menge Selbsterkenntnis. Die folgende Stellung ging fast wegen Unkenntnis der FIDE Turnierregeln verloren. Die Zeitvorgabe war 2 Stunden / 40 Züge und 30 Minuten für den Rest. Kein Inkrement pro Zug. Weiß hat erhebliche Probleme und freute sich darüber, dass er mit dem folgenden Zug von Schwarz die Philidor-Stellung erreicht. Allerdings sind nur noch 40 Sekunden auf der Uhr und der Beweis, dass er die Stellung beherrscht, muss erst noch erbracht werden.

Es folgte eine kleine Regelkunde durch den Schiedsrichter: Bei Partien ohne Inkrement müssen die Züge bei weniger als 5 Minuten Bedenkzeit nicht mehr notiert werden. Theo hat es versäumt, die Uhr anzuhalten und einen Antrag bei Schiedsrichter auf Remis zu stellen. Der Schiedsrichter hätte zum Schluss die Partie Remis gegeben. Ohne Antrag beim Schiedsrichter kann der Gegner aber einfach weiterspielen und mit der Uhr gewinnen. Glück gehabt.

Details siehe: https://www.erfurter-schachfestival.de/