Wie man sich so in die Top Twenty spielt

Seine Pranke auf meiner Schulter:“Mach et!“ „Aber die spielen 90 Minuten für die gesamte Partie. Für mich ist das Schnellschach! Außerdem guck ich Montags immer Barnaby.“ „Nutzt nix. Du musst den Club bei der Stadtmeisterschaft vertreten.“

So zuckelte ich also jeden Montag mit der S1 nach Hoechst.

Wichtig bei so einem Turnier ist die richtige Einstellung. Nachdem er einige Gewinnstellungen verzockt hatte, schrieb der holländische GM Hein Donner:“… totally winning positions I cannot stand.“ (Hein Donner: The King) Das ist natürlich ein falsches Setup. Man gehe immer positiv an die Sachen ran.

Bei mir ist das so: Ich liebe Verluststellungen! Zum Beispiel hier mit Weiß:


Wichtig in solchen Stellungen ist der absolute Glaube. Förderlich für diesen Glauben ist geballte Inkompetenz. Der Computer meint -4,0. Ich war fest überzeugt, durch einen Angriff meines Königs von Hinten auf die Bauernkette ein Remis zu holen. Tatsächlich hat nun mein König den Freibauern fast erreicht.


Schwarz spielt nun Sf5-g3+??. Wir holt nun Weiß das Remis? Eben! Durch einen Angriff von hinten.

Bei diesem Turnier erfährt man seinen Gegner schon am Dienstag. Also Zeit genug für die Eröffnungsvorbereitung. Und das machen fast alle! Manche können aber mit Juliane Werding singen: Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst.

Der spätere Stadtmeister Samuel Weber hatte gesehen, dass ich immer Italienisch mit verzögerter Rochade spiele. Er bereitete eine spezielle Variante vor. Ich spielte aber sofort Rochade. Hat es mir was gebracht? Denkste!

Ein anderer Spieler hatte mein Najdorf gesehen und eine spezielle Variante mit h3 vorbereitet. Ich schlaues Kerlchen hatte aber gesehen, dass er gerne die Jürgen Schröder-Variante e4 c5 d3 spielt, auch Königsindisch im Anzug genannt. Immer gerne, aber einer Najdorf Vorbereitung wollte ich aus dem Weg gehen. Also spielte ich e4 e6! d3 und seine Vorbereitung war hin. Später erzählte er mir, dass er eigentlich schon lange kein d3 mehr spielt, aber gegen Französisch nichts besseres wusste.

Ich erreichte mit Schwarz eine totale Gewinnstellung, spielte aber gerade furchtbar Lg7-f6?:


Nun hätte mein Gegner den schönen Zug Te6! gehabt. Hein Donner! Totale Gewinnstellung vergeigt? Doch nach 33. Te6 Td8 34. Dxf7+ Sxf7 35. Txb6 Se5 36. Le2 Tf8 bleibt es immer noch eine Gewinnstellung.

Bei mir ist das so: I love totally winning positions!

Übrigens wollte er Te6 mit vorherigem a5? optimieren, übersah aber, dass nach Dxa5 der Turm mit Schach hängt.

Und dann hatte ich noch einen jungen, sehr talentierten Theoretiker, der die Eröffnung aus dem Effeff beherrschte. Ich fragte ihn, warum er nicht in einen Verein gehe? Nee, ich habe keine Lust gegen alte Knacker zu spielen. Das kann ich nachvollziehen. Deshalb spiele ich im Training auch nie gegen mich selber.

Alle Spiele, alle Tore unter:
https://schachbezirk-frankfurt.de/archiv/vorstand/fm-samuel-weber-ist-neuer-frankfurter-stadtmeister-bezirksmeister/
und
https://chess-results.com/tnr616911.aspx?lan=0&art=4&turdet=NO